Kanada ist ein Land, das man mit fantastischen Landschaften und unendlichen Weiten verbindet. Stefan Zellweger lebt dort mittlerweile seit einigen Jahren und erlebt diese Welt Tag für Tag – als Lkw-Fahrer.
„Ganz ursprünglich war ich durch meinen Vater mal hier. Er hat in den 70er Jahren als Austauscherlebnis auf einer Farm hier gearbeitet, und als ich 1983 gerade mal 3 Jahre alt war, sind wir in den Urlaub nach Kanada gefahren“, erinnert sich Stefan Zellweger: „Natürlich kann ich mich an keine Details mehr erinnern. Aber: Ich hatte seitdem immer eine Kanada-Flagge im Zimmer hängen und hatte ein Fotoalbum mit all den Trucks, Traktoren und Mähdreschern. So als Kind der Landwirtschaft hat das schon Eindruck auf mich gemacht.“
Ein Eindruck, der hängen blieb – und letztlich auch dafür sorgte, dass der Schweizer Lkw-Fahrer Europa gegen den nordamerikanischen Kontinent austauschte, als sich die Gelegenheit bot: „Ich kam an einen Punkt, wo ich gesagt habe: Ich möchte das gerne machen“, erklärt der Trucker: „Es war dann etwas Überwindung, alles stehen und liegenzulassen, einfach in den Flieger zu steigen. Aber effektiv bin ich so ziemlich ohne Englisch-Kenntnisse einfach 2013 in den Flieger nach Kanada gestiegen.“
Möglich war das durch ein Austausch-Visum, das Menschen zwischen 18 und 33 Jahren die Chance gibt, für 18 Monate in Kanada zu arbeiten. Stefan passte also gerade noch ins Raster und nutzte die Möglichkeit, zumindest für 8 Monate nach Kanada zu gehen und dort auf einer Getreidefarm jegliche Maschinen von Mähdrescher bis Bagger zu bedienen.
Dann ging es zurück – aber nicht auf Dauer: „Ich dachte dann eigentlich, dass es das gewesen ist und ich mit einem Rucksack voll wunderbarer Erlebnisse zurück in die Schweiz kehre“, so Stefan. Zurück in der Heimat rief dann ein Freund an, der dringend einen Fahrer brauchte und ihn umgehend einstellen wollte. Stefan wollte eigentlich erst wieder ankommen, nahm aufgrund der Dringlichkeit aber an. Doch der Effekt war deutlich: „Ich habe dann gesagt, ich mach das für ihn jetzt, wo gerade keiner Zeit hat, im Weihnachtsstress. Das war schon ein Fehler, wenn man aus den unendlichen Weiten Kanadas zurück in die Schweiz kommt und dann gleich wieder in einem LKW sitzt. Das war heftig“, erzählt Stefan.
Was ist in der Schweiz anders als in Kanada?
Der extreme Unterschied im Alltag machte sich umgehend bemerkbar: „Die engen Straßen und die Leute haben mich gestresst. Es war natürlich auch kurz vor Weihnachten“, betont Stefan: „Die Kanadier haben eine gewisse Gemütlichkeit in vielen Dingen. Das haben die Schweizer nicht. Das sieht man auch im Straßenverkehr als Lkw-Fahrer. Das ist schon ein sehr großer Punkt und da habe ich wirklich ein bisschen was mitgemacht.“
Dieser Stress, der herrschte in Kanada in der Form nicht: „Ich merke es auch, wenn ich mit Kollegen in der Schweiz rede. Ein super erfahrener Fahrer aus einer sehr guten Firma hat mich mal angerufen und gesagt, er kann das nicht mehr mit dem Verkehr und dem Stress. Da wird es einem selbst auch erst wieder bewusst, wie gut es einem hier geht.“
Die Sehnsucht nach einer Rückkehr wurde größer – und die Gelegenheit kam: „Im Januar hat mich mein erster Chef aus Kanada, ein Holländer, in der Schweiz besucht und gefragt, ob ich nicht nochmal für die Ernte im Herbst zurückkommen möchte. Das Visum sei ja noch gültig“, so Stefan.
Gesagt, getan: Im Herbst 2014 ging es wieder nach Kanada: „Das war dann so richtig der Moment, wo ich dachte: Ich will das probieren. Ich war so gesagt vogelfrei, also weder verheiratet noch anderweitig gebunden. Dann habe ich die anderen Papiere, also andere Aufenthaltsgenehmigungen, beantragt und im Sommer 2015 bekommen. Im August 2015 habe ich meine Sachen gepackt und bin ab nach Kanada.“
Diesmal, so Stefan, war die Reise langfristig angelegt – auch, wenn er zuerst zwischendurch immer mal wieder zurückkehrte: „Dort wo ich gearbeitet hab, also auf den Getreidefarmen, ist praktisch im Winter keine Arbeit. Zu viel Schnee, Temperaturen bis -45 Grad Celsius und die Erntezeit ist auch vorbei“, hebt er hervor.
Diese Zeit nutzte er, um für drei Monate in der Schweiz Geld zu verdienen und so mehr Budget für die Kanada-Aufenthalte zu bekommen: „Die Farmer haben nicht wahnsinnig gut bezahlt, fürs Geld habe ich es nicht gemacht“, betont Stefan: „Es hat sich aber in vielen Belangen gelohnt und man kriegt eine andere Einstellung zum Leben. Es geht auch lockerer und ohne Stress.“
Wie ist das Lkw-Fahren in Kanada?
Dann kam der Wechsel: „Mein neuer Chef wollte, dass ich LKW-Fahrer werde. Der meinte, er könne mich das ganze Jahr über anstellen und beschäftigen, aber ich muss den LKW-Führerschein machen“, erinnert sich Stefan – denn der aus Europa, den Stefan schon hatte, zählte nicht.
Doch mittlerweile ist Stefan Vollzeit als Lkw-Fahrer in ganz Kanada unterwegs. Doch „lockerer und ohne Stress“ bedeutet nicht, dass man auf der faulen Haut liegen würde. Ganz im Gegenteil: „Faul sind wir hier nicht, ich darf ja 13 Stunden pro Tag in Kanada fahren“, lacht Stefan. Im North-West-Territory und Alaska ist sogar nochmal mehr möglich. Doch die Zeit braucht man auch: „Durchaus möglich, dass das Ziel 3.500 bis 4.000 km weit weg ist“, betont Stefan.
Entspannter wird die Fahrt an sich aber trotzdem: „Geschenkt wird einem nichts, aber es ist trotzdem lockerer, weil wir mehr Zeit haben aufgrund der längeren Strecken. Man kann sich den Tag mehr oder weniger selbst einteilen“, betont Stefan: „Wenn man quer durch Kanada zurückfährt, ist man gute drei Tage unterwegs und kann das etwas anders in Angriff nehmen. Ich war ja auch viel in Deutschland, Belgien, Holland, der Schweiz, Österreich und Frankreich unterwegs. Da ist selten ein Tag, wo man nicht geladen oder abgeladen hat. Wenn man hier mal geladen hat, fährt man erstmal ein paar Tage, das ist einfach das Schöne“, erklärt der Trucker: „Durchaus möglich, dass das Ziel 3.500 bis 4.000 km weit weg ist.“
Es ist Fernfahren in seiner puren Form, quasi – nur eben ohne extrem hohes Verkehrsaufkommen: „Die Provinz Saskatchewan, in der ich vorher gewohnt habe, ist 17-mal so groß wie die Schweiz und hat 1,1 Millionen Einwohner. Das ist sehr übersichtlich“, erklärt Stefan. Wann er das letzte Mal richtig im Stau gestanden hat, weiß er nicht mehr: „Das ist ein ganz entspanntes Fahren, wo man nicht immer auf den Verkehr fokussiert sein muss, weil es manchmal einfach keinen gibt. Als LKW-Fahrer ist es schön, diesen Frieden zu haben. Das ist unbezahlbar.“
Kritisch sieht er allerdings andere Punkte: „Abseits des Verkehrs ist Kanada eher ein Lkw-Fahrer-unfreundliches Land. Es gibt wenig Rastplätze und viele sind dreckig. Auch die Nachtstopps sind alt und in keinem guten Zustand. Die Guten sind natürlich gut frequentiert“, erklärt er.
Ein anderer schwieriger Punkt ist das Wetter: „Das Wetter ist extrem und kann sich auch sehr schnell ändern. Wir hatten eine Zeit lang einen sehr milden Winter und zack, jetzt haben wir 40 cm Schnee in der letzten Nacht bekommen und die Temperaturen sind runtergegangen auf – 20. Bei den extremen Temperaturen, die wir hier haben, hat Salz auch keine Wirkung mehr. Dann wird nur noch mit Sand gearbeitet und das ist mehr schlecht als recht.“
Dennoch: Eine Rückkehr kommt für Stefan mittlerweile nicht mehr in Frage – zumindest aktuell: „Dafür müsste eine Menge passieren. Ich hatte ziemliches Glück, dass ich hier eine gute Firma erwischt habe, wir werden hier nach Umsatz bezahlt und damit kann ich mir ein wirklich schönes Leben leisten.“
Wenn ihr mehr über Stefans Leben in Kanada erfahren wollt, schaut auf seiner Facebook-Seite vorbei. Und hier auf dem Blog haben wir noch mehr Storys aus dem Trucker-Alltag für euch: