Der Sprung in die Selbstständigkeit kann einen starken Umbruch im Leben bedeuten. Die Unermüdliche Christina hat ihn gewagt – und erzählt, wie ihr erstes Jahr auf eigenen Beinen damals lief.
Am 01. April 2021war es so weit: Christina Scheib hatte ihr erstes Jahr als Selbstständige hinter sich. „Ausgerechnet“, denkt man sich – schließlich war das Jahr 2020 in der Logistikbranche (und auch in so ziemlich jedem anderen Bereich) nicht gerade einfach. Doch für unermüdliche LKW-Fahrerin war es der richtige Zeitpunkt, den Sprung zu wagen:
„Ich hab’ mir gedacht: Wenn ich es jetzt nicht mach’, mach’ ich es nie. Ich dachte mir: Corona kann mir meinen Traum nicht nehmen.“
Die Entscheidung kam damals keineswegs aus dem Nichts. Sie war die Konsequenz jahrelanger Überlegungen und von langer Hand geplant. Als der endgültige Entschluss dann feststand, ging es eigentlich auch schon los mit der Umsetzung – denn sich selbstständig zu machen, ist gar nicht mal so einfach.
Man muss einiges beachten: „Ich habe mich nach einem LKW umgeschaut, mich schlau gemacht, was es kostet. Man überlegt sich, mit wem man zusammenarbeiten will, was man transportieren will“, berichtet Christina, die sich für einen Kühler entschieden hat: „Dann habe ich das Gewerbe angemeldet.“
Die Anmeldung eines Gewerbes erfordert allerdings noch weitere Vorarbeit. Man muss neben der fachlichen Eignung auch die unternehmerische Zuverlässigkeit nachweisen können – und einen finanziellen Grundstock: „Wenn Du die Lizenz machen lässt, musst Du laut Gesetz 9.000 Euro für einen LKW vorweisen können. Und für jeden weiteren 5.000“, berichtete Christina damals.
Damit waren die finanziellen Vorgaben der Gewerbeanmeldung erfüllt. Doch in der Praxis braucht man nochmal mehr – Christina spricht von etwa 30.000 Euro Startbudget. Denn gerade der Anfang ist schwer und mit vielen Kosten verbunden: „Das ist nicht wenig, auch, weil es relativ schnell weg ist. Du musst dann alles mögliche beantragen, Versicherung zahlen. Es gibt so viel. Du bist noch nicht einen Kilometer gefahren, da ging das Geld schon raus wie nix.“
Dass man die Finanzen im Auge behalten muss, ändert sich auch im Laufe der Selbstständigkeit nicht. Schließlich arbeitet man für mehrere unterschiedliche Auftraggeber und muss sich darauf verlassen, dass gestellte Rechnungen bezahlt werden. Und das kann teilweise dauern: „Ich bin immer glücklich, wenn unten ,Zahlungsziel 14 Tage’ steht, und nicht 90 oder 60 Tage.“ Diesen Fall gebe es aber oft: „Das muss ein Unternehmer – so wie ich – vorstrecken. Und das mache ich nicht nur bei einem Kunden.“
Doch bevor man Rechnungen stellen kann, braucht man erstmal Kunden. Auch hier steht man nun in der Eigenverantwortung: Wer sich nicht auf die Suche nach Jobs macht, hat auch nichts auszuliefern: „Du hast am Anfang nicht gleich zehn Kunden. Du musst Dich bewerben und dann musst Du Dich bewähren“, erklärt Christina: „Ich war kein Neuling, aber auch kein alter Hase. Du musst beweisen, dass Du es raus hast, dass Du zuverlässig bist und dass sie Dir vertrauen können.“
Sobald dies aber gelingt, ergeben sich auch weitere Aufträge, berichtet Christina, die sich im vergangenen Jahr nicht über zu wenig Arbeit beschweren konnte – im Gegenteil: „Ich habe einen festen Kunden und der Rest ergibt sich halt so. Da hat der eine hier Connections, der andere da. Bekannte fragen ‚Können wir Euch die mal schicken‘. Man fängt schnell an zu wachsen.“ Mit den neuen Aufgaben wachse auch die eigene Expertise, auf die man dann wiederum aufbauen kann: „Es ist ein Lernprozess – und man lernt jeden Tag etwas Neues.“
Bei aller Freude über neue Aufträge muss Christina aber auch immer ein Auge auf die übrigen Umstände der Selbstständigkeit halten. Also – so ziemlich alles: „Als ich Vollzeit gefahren bin, hat der Disponent gesagt: Du musst da und da hinfahren, und dann hast Du das getan.“ Nun sei der Ablauf ein wenig anders: „Jetzt muss ich mich um Aufträge kümmern, um die Fahrzeiten. Ob ich das alles schaffe. Es ist ein Allroundjob. Du musst auf Geld achten, verhandeln, schauen wie lang Du unterwegs bist, auf Wartezeiten achten. Du musst Büro machen, dass Du alles zusammen hast – Papiere und Dokumente. Es ist nicht mehr so, dass das jemand anderes macht.“
Insgesamt trägt man also deutlich mehr Eigenverantwortung. „Selbstständig heißt selbst und ständig“, hört man ja oft. Allerdings war es genau das, was Christina wollte:
„Das war auf jeden Fall eine Entscheidung für mehr Eigenverantwortung. Ich bin eine Hundertprozentige, was die Arbeit angeht – ich bin Perfektionistin.“
Ein Umstand, der ihr zugutekommt: „Ich vermisse nichts. Ich hab’ meine Verbandsarbeit und mein Büro, ich hab’ meinen LKW. Und ich bin meine eigene Chefin. Für mich ist diese Verbandsarbeit und diese Selbstständigkeit der Sechser im Lotto“. Es gebe zwar Hürden, die es zu überwinden gilt, und auch der Arbeitsalltag ist nicht immer einfach – dennoch würde sie nicht zurückgehen: „Es läuft. Und ich bin der glücklichste Mensch, dass ich es gemacht habe.“