Andrea Möller ist seit knapp 27 Jahren bei der Autobahnpolizei tätig. Über Jahre hinweg sammelte die Polizistin so jede Menge Erfahrungen und begegnete zahlreichen Menschen – viele davon LKW-Fahrer und -Fahrerinnen.
Die Arbeit mit Menschen in der Fernkraftfahrer-Branche wurde für sie zur Herzensangelegenheit. Über ihre Polizei-Arbeit auf den Autobahnen, aber auch die mittlerweile von ihr organisierten Fernfahrerstammtische und ihr Engagement für den Verein DocStop hat Möller eine enge Bindung zu allem rund um den LKW sowie den Menschen hinter dem Steuer aufgebaut.
Deshalb setzt die Polizistin sich seit Jahren für einen positiven Austausch zwischen Autobahnpolizei und Fernfahrern ein. Im zweiteiligen Interview erzählt sie uns von ihrem Weg, den Fernfahrerstammtischen, DocStop und dem Umgang mit Fernfahrern im Verkehr.
Frau Möller, seit wann und wieso sind sie bei der Autobahnpolizei?
Ich bin seit 1996 bei der Autobahnpolizei. Ich hatte da keinerlei Hintergründe, weil Papa oder Mama LKW-Fahrer oder Autobahnpolizist gewesen wären - also ich hatte da keine verwandtschaftlichen Kontakte.
Bei der Polizei Niedersachen war es so, dass man nach der Ausbildung ein Jahr in die Bereitschaftspolizei gegangen ist und danach auf Einzeldienststellen versetzt wurde. Ich hatte damals gesehen: Autobahnpolizei, da gab es gute Chancen. Also habe ich mich beworben, bin dahin gekommen und hab nie wieder gewechselt.
Wo kommt die Verbindung zwischen Ihnen und dem Thema LKW her?
Es gibt zwei Möglichkeiten, sich bei der Autobahnpolizei zu spezialisieren. Das eine ist die Schwerlastüberwachung und das andere ist die Kriminalitätsbekämpfung. Und mir lagen die LKWs immer mehr.
Als ich zur Autobahn versetzt worden bin, habe ich angefangen, in dem Bereich zu lernen. Dort bekommt man einen Ausbilder und lernt alles zu dem Thema: Von Sozialvorschriften über Ladungssicherung bis hin zur Technik.
Und das hat mir einfach gefallen. Auch der Umgang mit den Fahrern ist harmonisch-freundlich, man hat immer einen Schnack. Man kann sich unterhalten, da ist kein Gezeter und Gezerre. Das ist einfach nett gewesen und mir hat die Sparte Spaß gemacht.
Dann hab ich angefangen, mich zu spezialisieren. In dem Bereich Sozialvorschriften, später kam der digitale Tachograph dazu, das sind meine Themenfelder. Und dann kam der Fernfahrerstammstisch dazu.
Was ist der Fernfahrerstammtisch?
Die Stammtische gibt es schon sehr lange und bundesweit: Der Fernfahrerstammtisch ist vor ungefähr zwanzig Jahren gegründet worden, von mehreren Polizeibeamten. Die haben sich gesagt: „Wir müssen einen Gesprächsfaden zu den LKW-Fahrern und -Fahrerinnen finden. Wir setzen uns jetzt alle einmal an einen Tisch. Wir müssen den Jungs zeigen: Wir wissen, was auf der Straße los ist, wir wollen mit euch eine Gesprächsebene finden.“
Später bin ich in den Fernfahrerstammtisch reingerutscht. Da war man mal als Referent da, hat mal ausgeholfen. Irgendwann habe ich den Stammtisch übernommen. Und dann ist man sowieso stets und ständig mit den Fernfahrern im Gespräch.
Die Fernfahrerstammtische finden bundesweit statt. Termine sind auf der Website des Fernfahrerstammtisches zu sehen.
Was wird beim Fernfahrerstammtisch besprochen?
Wir machen immer ein Thema pro Monat. Letzte Woche hatten wir beispielsweise die Fahrassistenzsysteme. Da kommt dann ein Referent und stellt Neuerungen und Ähnliches vor, und dann wird darüber diskutiert.
Natürlich sind auch die Probleme im Rahmen des Abends immer mal wieder Thema. Wenn wir etwa Parkplatzproblematik haben, oder letztens hatten wir auch mal DocStop, wenn es um Gesundheitsprobleme einhergehend mit den Hygiene-Geschichten geht.
Wie ist das Feedback der LKW-Fahrer auf den Stammtisch?
Grundsätzlich werden die Stammtische sehr gut angenommen, weil die Fahrer wissen: „Da können wir Fragen stellen, da kriegen wir ehrliche Antworten, da wird man uns nicht verteufeln.“ Die Fahrer vertrauen uns mittlerweile, die wissen, sie können mit uns ehrlich reden.
Es ist wichtig, dass wir hier ehrlich miteinander reden können, wenn es Probleme gibt. Und wir geben dann Tipps, was sie machen sollen oder was sie künftig besser machen können. Die Vertrauensbasis ist irgendwann da und dann kommen die Leute auch wieder.
Die Fernfahrer-Branche wird in der Öffentlichkeit oft negativ bewertet. Wie sehen Sie aktuell das Image des Berufs?
Ich finde, dass das Ansehen dieses Berufs völlig ramponiert ist. Viele sind abgenervt von den LKW-Fahrern. „Die stören in den Städten, die stören auf der Autobahn, die stören auf den Parkplätzen“ heißt es dann. In Gewerbegebieten werden Poller und Steine hingelegt, damit man da abends bloß nicht noch einen LKW stehen hat. Dass diese Jungs aber letztendlich dafür zuständig sind, dass unsere Regale voll sind, dass das, was in unseren Büros steht, dass die das transportieren - dass wir immer alles dahaben, was wir brauchen - das sieht irgendwie keiner.
Zu Corona-Zeiten wurden Toiletten und Duschen dicht gemacht. Jeder geht abends frisch geduscht in sein Bett, und was macht der LKW-Fahrer? Der kann sich vielleicht mit einem Kübel Wasser unter die Arme hauen, weil Duschen gab es nicht.
Es ist ein total wichtiger Zweig, eine Berufsgruppe, die einen ganz wesentlichen Beitrag leistet, dass die Versorgung läuft. Aber behandelt wird sie schlecht.
Sie setzen sich seit Langem dafür ein, etwas für die Fernfahrer zu tun – über die Stammtische, aber auch über DocStop. Seit wann sind Sie bei DocStop aktiv?
Das war ein schleichender Prozess, weil DocStop letztendlich auch mit den Fernfahrerstammtischen zusammenarbeitet. DocStop ist ein ehrenamtlicher Verein und bei den Stammtischen sitzen die Fahrer, die die Infos brauchen. Ich bin seit acht Jahren dabei, und seit zwei Jahren intensiver. Ich plane beispielsweise die Weihnachtsaktionen und die Veranstaltungen, die DocStop macht.
Wieso sind Sie auch bei DocStop aktiv geworden?
Es gibt viele Institutionen, für die kann man mit seinem Wissen oder seiner Energie etwas tun. Es wird für Kinder was gemacht, für Radfahrer, für Motorradfahrer, für Senioren, für alle möglichen Verkehrsteilnehmer. Aber wer tut etwas für die LKW-Fahrer?
Letztendlich ist das Präventionsarbeit, wo man etwas für eine bestimmte Branche tut. Und DocStop ist etwas, wo du etwas direkt für den Fahrer tun kannst: Indem du ihm die Chance gibst, dass ihm geholfen wird, wenn es ihm schlecht geht. Dass er Hilfe bekommt, wenn er in seinem LKW sitzt und nicht mehr weiterweiß, weil er Schmerzen hat.
Er ruft eine Nummer an und ihm wird geholfen. Das kostet den Fahrer nichts und er kann seine Fahrt anschließend vielleicht sogar fortsetzen oder weiterführende Maßnahmen bekommen.
Wenn du dann auf dem Truck Grand-Prix stehst und die Fahrer vor dir stehen und sich bedanken, dann hast du alles richtig gemacht. Jeder LKW-Fahrer, der durch DocStop am Ende der Woche gesund nach Hause gekommen ist, ist es im Grunde schon wert.
Klingt, als wären Sie genau da angekommen, wo sie hinsollten.
Ja, absolut. Wenn ich 30 Leute beim Stammtisch habe, und die sitzen da, weil sie das annehmen und sagen: das ist eine tolle Sache, das ist wichtig – man kommt so viel Positives zurück. Und das ist es einfach wert.
In Corona-Zeiten haben wir Toiletten und Duschen aufgestellt, weil es für die Fahrer nichts mehr gab. Es ist eine Branche, die oft vergessen wird. Klar, DocStop kann die Welt nicht retten, aber wir können zumindest einen kleinen Teil leisten, damit es den Fahrern gut geht.
Ehrenamt will kaum noch wer machen, weil es letztlich umsonst und in der Freizeit ist. Aber wenn ich die Freizeit für so was investieren kann, wo ich sage, „das war toll, ich habe Leute erreicht“ – das ist perfekt.
Im zweiten Teil unseres Interviews spricht Frau Möller über den Austausch zwischen Fernfahrern und Autobahnpolizei. Mehr dazu erfahrt ihr in der kommenden Woche auf dem Blog.