„Nur ein gesunder Fahrer ist ein sicherer Fahrer“: Unter diesem Motto will der Verein „DocStop“ LKW- und Busfahrerinnen und -fahrern dabei helfen, eine schnelle und angemessene medizinische Versorgung zu erhalten. Wir haben uns mit Vorstand Joachim Fehrenkötter über das wichtige Projekt unterhalten.
Kopfschmerzen, Zahnweh, Rückenprobleme, Krankheit – manchmal wundert man sich, wie schnell gesundheitliche Probleme zuschlagen können. Gleichzeitig sollte man niemals unterschätzen, wie sehr man durch sie beeinträchtigt wird und möglichst schnell einen Arzt aufsuchen.
Das gilt natürlich und vielleicht sogar besonders auch hinter dem Steuer eines LKW oder Bus, denn die Aufmerksamkeit kann durch gesundheitliche Beeinträchtigungen stark eingeschränkt werden. Doch mit den großen Vehikeln ist es unterwegs teilweise gar nicht so einfach, eine Praxis oder Klinik in der Nähe zu finden.
Genau hier setzt der ehrenamtlich agierende Verein DocStop an. Die Anfänge des Vereins gehen zurück bis 2007 und mittlerweile hat sich ein Netzwerk aus bundesweit über 700 Standorten entwickelt, die Fahrerinnen und Fahrern schnelle und einfache medizinische Versorgung sowie einen Parkplatz in der Nähe anbieten.
Joachim Fehrenkötter wurde 2011 zum Vorsitzenden des Vereins gewählt. Im Interview gibt er uns einen Einblick hinter die Kulissen von DocStop.
Herr Fehrenkötter, wie kam es zu der Idee „DocStop“?
Es gibt regelmäßig sogenannte Fernfahrerstammtische der Polizei, und bei diesen Stammtischen ist damals der Ruf nach einer medizinischen Unterstützung laut geworden. Das haben unsere Mitbegründer aufgenommen und diese Idee entwickelt, dass man, wenn man als LKW-Fahrer behandelt werden will, zunächst mal einen Parkplatz braucht, und dann einen Arzt, der zeitnah behandelt. Das ist das Grundprinzip von DocStop.
Wie funktioniert DocStop für mich als Fahrer?
Es gibt die Möglichkeit des Anrufs bei unserer kostenlosen Hotline-Nummer (00800 03627867), die 24/7 geschaltet ist und auch alle gängigen europäischen Sprachen abbildet. Da kann ich anrufen und möglichst genau beschreiben, wo ich bin. Dann können wir schauen, welcher Arzt oder Parkplatz in Frage kommen.
Zudem sind wir in verschiedenen Apps hinterlegt, wo unsere Standorte zu sehen sind. Da kann man dann einfach selbst auf die Karte schauen, wo unsere Standorte sind.
In dem Fall kann ich zum Parkplatz fahren und zum Arzt gehen, um mich dort als DocStop-Patient vorzustellen. Die Arztpraxen sind so gelegen, dass man sie möglichst fußläufig oder mit einem kurzen Shuttle erreichen kann.
Mit was für Problemen kann ich mich bei DocStop melden?
Bei DocStop geht es um typische Probleme wie etwa Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen.
Wir haben eine Untersuchung gemacht. 70 bis 80 Prozent sind Schmerzen, egal in welcher Form, im Körper. Dazu kommen die Bereiche Kreislauf und Herz/Lunge. Bewegungssysteme, also Orthopädie, sind ebenfalls ein Riesenthema, und der restliche Anteil sind Zahnschmerzen, also Zahnarztbesuche. Das geht sogar so weit, dass sich die Fahrer, die sich über DocStop einen Zahnarzt gesucht haben, den dann als festen Zahnarzt nehmen.
Für den Notfall sind weiterhin Notfall-Nummern zuständig, denn wer dringend einen Notarzt braucht, sollte auch nicht mehr erst bis zum Parkplatz fahren.
Was sind die größten Herausforderungen für DocStop?
Eine der größten Aufgabenstellungen für uns ist es, weitere Ärzte zu finden und das Netzwerk so dichter zu machen, auch in Deutschland. Wir haben da schon noch weiße Flecken, klassischerweise da, wo auch auf der Landkarte relativ große weiße Flecken sind, zwischen den Ballungsgebieten.
Unseren Wunsch, alle 50 Kilometer einen DocStop-Standort zu haben, konnten wir noch nicht ganz erfüllen.
Wie suchen Sie weitere Mediziner und Partner für das Netzwerk?
Da gibt es mehrere Wege. Das eine sind Aufrufe in spezifischen Zeitschriften, wo auf das medizinische Netzwerk von DocStop hingewiesen wird. Das Zweite ist die direkte Ansprache in Arztpraxen. Das Dritte ist, dass unsere Partner ihre Ärzte mit ins Netzwerk bringen.
Dazu gehen unsere Vereinsmitglieder auf Festivals, Trucker-Treffen, Veranstaltungen und Messen. Wir haben dort einen Infostand und Broschüren, um zu erklären, was wir tun. Außerdem treffen wir viele Spediteure, die das Projekt noch nicht kennen und versuchen, sie zu motivieren, bei uns mitzumachen.
Man muss dazu sagen: Wir wollen nicht nur aktive medizinische Hilfe leisten, sondern auch das Bewusstsein dafür wecken, dass man eher zum Arzt geht, als „die Zähne zusammenzubeißen“ oder zu versuchen, mit Selbstmedikation durch die Woche zu kommen.
Es geht doch darum, dieser Berufsgruppe zu sagen: Geht zum Arzt, wenn es euch schlecht geht. Denn unser Slogan ist: Nur ein gesunder Fahrer ist auch ein sicherer Fahrer.
Natürlich ist unser Gewerbe dafür bekannt, dass hinter den Transporten auch sehr oft Termine stehen. Deshalb haben wir die zeitnahe Behandlung in den Vordergrund gestellt, damit man nicht drei Stunden in der Praxis sitzt. Das ist eine Komponente, um den Arztbesuch so einfach wie möglich zu machen.
Jede Fahrerin und jeder Fahrer sollte sich bewusst machen, dass eine Krankheit, ein Schmerz eine Einschränkung der Aufmerksamkeit ist, die mit alkoholisiertem Fahren zu vergleichen ist. Keinem ist damit geholfen, dass man Schmerz einfach wegdrückt, sondern man sollte zum Arzt gehen und sich behandeln lassen.
Woher kommt die Motivation des Vereins?
Wir sehen, dass diese Gruppe in vielen Bereichen unterrepräsentiert ist und teilweise schlecht behandelt wird. Das fängt bei der Höflichkeit an und hört bei der Benutzung von Hygieneeinrichtungen nicht auf.
Wir haben uns in der Pandemie auch um Hygiene gekümmert. Als die Toiletten und Duschen für Fahrerinnen und Fahrer geschlossen wurden, haben wir entsprechende Container aufgestellt. Und da haben wir mitbekommen, dass wir im ersten Jahr weit über 100.000 Nutzer hatten.
Ganz am Anfang der Pandemie haben wir kleine Taschen mit Masken, Desinfektionsmittel und zwei, drei andere Sachen gepackt, damit Fahrerinnen und Fahrer sehen, dass sie nicht allein in der Welt sind. Sondern dass es auch noch Menschen gibt, die sich um sie kümmern.
Wir versuchen, ein bisschen was dafür zu tun, dieses Berufsbild aufzubessern.
Wie ist das Feedback von Fahrerinnen und Fahrern?
Sehr gut. Wir bekommen viel Feedback, dass wir aktiv geholfen haben. Das Extremste, was ich je erlebt habe, war jemand, der meinte, wir hätten dabei geholfen sein Leben zu retten. Er hatte seine Story erzählt, dass er schwere Schmerzen in der Brust hatte, die DocStop-Nummer gewählt hat und zum Arzt gefahren ist. Das Belastungs-EKG haben sie dann abbrechen müssen, weil er kurz vor dem Herzinfarkt stand. Der Arzt sagte ihm damals, er wäre vielleicht noch 50 Kilometer weitergekommen.
Mal abgesehen davon sind es viele, die sagen, „es hat mir sehr geholfen“. Das tut auch gut, denn wir arbeiten alle ehrenamtlich und da motiviert so positives Feedback.
Vielen Dank für das Interview!
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